Der lange Weg von Technologie-Startups

Der lange Weg von Technologie Startups
Abbildung 1: Biofabrik Headquarter in der Nähe von Dresden

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An dieser Stelle erzählen wir in regelmäßigen Abständen von Fortschritten bei der Entwicklung unserer Anlagen und Konzepte. Aber was, wenn es mal keine Fortschritte gab? Und nicht nur das? Dann ist es wohl an der Zeit, etwas über den auffällig stillen Dämon des Startups zu berichten – den Rückschlag. Und was wir dagegen tun.

 

 

Jede zweite Woche eine Erfolgsmeldung? Von wegen!

Es liegt in unserer Natur und auch Kultur, dass wir lieber von Erfolgen erzählen, als von deren bösem Bruder, dem Rückschlag. Denn während das eine uns Anerkennung und Selbstwertgefühl verschafft, löst doch der Rückschlag, Misserfolg oder Fehlschlag das genaue Gegenteil aus. Besonders bei Dritten. Oder doch nicht?

Eigentlich verwunderlich, denn gerade in Startups mit dem Ziel disruptiver Entwicklungen erkämpft man sich jeden Erfolg mit einer Vielzahl Fehlschlägen. Nur redet man nicht darüber. Dabei ist der Fehlschlag bei der Entwicklung neuer Ideen zwingende Voraussetzung für den Erfolg. Denn schließlich lernen wir, wie es funktioniert zu einem guten Teil aus Fehlschlägen, sie zeigen uns Grenzen und Denkfehler.

Es gibt hunderte Bücher über den Umgang damit, tausende kluge Sprüche und jeder hat einen guten Rat. Aber um in einem Startup Fakten zu schaffen, ist etwas anderes nötig.

 

Rückschläge: Die Vorboten des Erfolgs.

Der Misserfolg ist in erster Linie das Nichteintreten einer Erwartung. Soweit also erstmal kein Problem, man überdenkt einfach seine Erwartung, ändert den Weg dahin und geht wieder zurück auf Los. Aber so funktionieren wir Menschen leider nicht. Eine Vielzahl von Emotionen, Drucksituationen und Außeneinflüssen lässt diese weise Art in Startups einfach oft nicht zu.

Wohlgemerkt, ich spreche hier nicht von Fehlschlägen in Entwicklungsabteilungen großer Konzerne, in denen alle Kosten ganz sicher von jemand anderem übernommen werden. Ich spreche von Menschen und Unternehmen, die alles auf eine Karte gesetzt haben – auf eigenes Risiko und ohne doppelten Boden. Ich spreche von Tech-Startups.

Denn dort sorgt der Fehlschlag für Fragestellungen ganz anderer Dimension: Funktioniert überhaupt, was wir uns hier ausgedacht haben? Wie viele Tage, Wochen oder Monate wirft uns der Fehlschlag zurück? Halten wir bis dahin finanziell durch? Und wie sicher ist es überhaupt, dass es beim nächsten Versuch, viele Wochen und Tausende Euro später, überhaupt funktioniert?

Die Folgen können dramatisch sein. Mitarbeiter brennen aus, sind demoralisiert, glauben nicht mehr an das Ziel und beginnen, sich nach Alternativen umzuschauen. Das Persönlichkeitsprofil von Mitarbeitern in Startups muss daher ein ganz besonderes sein. Dann vermeidet man Fehlschläge zwar nicht, aber man beugt den oben genannten Folgeschäden vor.

Nun mussten wir in den Wochen selbst ein bisschen einstecken. Das wollen wir zum Anlass nehmen, euch außerhalb der Informationen über die Technik an sich ein paar unserer Erfahrungen zu diesem Thema näher zu bringen – in der Hoffnung, dass Teile davon vielleicht auch eurem Team den Umgang mit Rückschlägen erleichtern.

 

Grundlage Nummer 1 für Entwickler: Es geht.

Es ist die DNA eines Tech-Startups, dass eine unendliche Anzahl von Komponenten zu einem bisher nie dagewesenen großen Ganzen zusammengefügt werden müssen. Keine disruptive Technologie wurde jemals zuvor gebaut. Keine wirklich innovative Software schon einmal entwickelt. Wer sich, egal ob als Gründer oder Mitarbeiter, dieser Aufgabe stellt, muss in erster Linie eines sein: ein Optimist. Ersetzt das Wort gern gegen Glaubenden, Visionär oder Träumer.

Wenn der Fehlschlag eintritt, wird der Optimist W-Fragen stellen: Warum, Wann, Wie, Was. Diese Fragen sind konstruktiv. An dieser Stelle wird der Optimist selbst erkennen, dass der Wandel oder auch ein kompletter Strategieschwenk des Unternehmens Teil des Prozesses ist und sein muss. Das fällt den meisten schwerer als sie selbst denken, wirft man doch oft monatelange Arbeit – etwa die Entwicklung einer gesamten Reaktorgeneration – über Bord und muss motiviert bei Null anfangen.

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Abbildung 2: Prozessschema unserer Anlagen

Der Zweifler hingegen wird keine offenen Fragen stellen, sondern feststellen, dass er Recht hatte, als er schon vorher gesagt hat, dass das alles sowieso nicht geht. Wandel oder gar Strategieschwenk sind ihm ein Graus, denn eigentlich will er eine sichere, beherrschbare Arbeit. Versteht mich nicht falsch, diese Menschen sind nicht besser oder schlechter als andere, nur an anderer Stelle effektiver als im Engineering von Revolutionen.

Dabei kann ein einziger fauler Apfel den ganzen Korb verderben. Erst noch hinter vorgehaltener Hand, später immer lauter weht der kalte Hauch des Zweifels durch das gesamte Team. Denn wenn schon der Ingenieur sagt, dass es nicht geht…

In diesem Fall bleibt nur noch die klare Sortierung nach für das Ziel guten Äpfeln und eben solchen, die aus dem Korb müssen. Das ist oft schwer und unangenehm für das meist junge Management und auch nur dann nötig, wenn klärende Gespräche dauerhaft fruchtlos bleiben. Aber dann ist es eben nötig. Auch als Zeichen ans Team.

 

Grundlage Nummer 2: Etwas, das größer ist als wir.

Die Menschen, die ihr braucht, müssen von etwas höherem als Geld motiviert sein. Der Gedanke, in einem Team aus Genies an etwas Großem zu arbeiten muss wertvoller sein als das Jahresgehalt. Wenn es hart wird, ist Geld nicht genug Motivation, um weiter zu machen. Was wir brauchen, ist eine Vision.

Testen kann man die Affinität eines neuen Superstars zu eurem gemeinsamen Weg bereits im Einstellungsgespräch, indem ihr das Einstiegsgehalt deutlich unter dem Markt ansiedelt, nachdem ihr die Vision erklärt habt. Dankt für jeden, der dann aufsteht und geht. Und gebt jenen, die bleiben, eine sinnvolle und klar messbare Erfolgsbeteiligung an ihrer Arbeit. Das motiviert bei Weitem mehr als ein Festgehalt auf Silicon Valley-Niveau.

Es ist Verantwortung des Unternehmers, dem Team eine Vision zu geben. Ihnen glaubhaft vorzuleben, dass es um mehr geht, als schönen Code, den schnellen Exit oder die zweihundertste Dating-App. Wenn eure Idee nicht echten emotionalen Impact hat, werden eure Leute beim ersten Gegenwind das Schiff verlassen. Wenn ihr euren Mitarbeitern nicht in drei Sätzen erklären könnt, was sie konkret auf der Welt verbessern, dann gründet das Unternehmen nicht.

 

Grundlage Nummer 3: Kompetenz und Disziplin.

Es gibt Menschen, die haben eine außergewöhnliche Kompetenz, aber irgendwie bringen sie diese nicht auf die Straße. Vielleicht war es das sechste Bier gestern Abend oder der Umstand, dass man nun einfach mal vor um zehn nicht aufstehen KANN. Oder vielleicht ist es auch einfach ein Mangel an Disziplin.

Und dann gibt es extrem disziplinierte Menschen. Jeden Tag die ersten im Büro, glasklare Reportings und 100% zuverlässig beim Timetracking. Aber … es kommt eben nichts dabei raus. Es fehlt am Genius. Und ohne diesen kann man keine Revolutionen bauen.

Wir benötigen also beides: Disziplin und Kompetenz. Konsequent. Auch hier muss aussortiert werden, was nicht passt, denn es bremst den Rest. Wenn nicht an jeder Stelle des Teams der oder die Beste für genau diese Aufgabe sitzt, verliert der Gesamtorganismus Performance – und die werdet ihr brauchen.

Und deshalb müssen – Startup-Mentalität, dezentrales Arbeiten und tolle freie Zeiteinteilung hin oder her – klare Strukturen, feste Arbeitszeiten, Pünktlichkeit und Professionalität die Basis all eures Tuns sein. Wenn das jemand von einem Strand auf Bali liefern kann, sehr gut. Aber eben nur dann ist es erlaubt, den Job dezentral zu erledigen.

Das Genie weiß diese gesunde Disziplin übrigens zu schätzen, denn es neigt aus Intelligenz zur Routine. Durch diese lassen sich unwesentliche Notwendigkeiten automatisieren. Es ist kein Zufall, dass Albert Einstein, Steve Jobs oder auch Mark Zuckerberg täglich die gleichen Klamotten trugen. Oder tragen.

 

Fazit: Gemeinsam gegen den Rückschlag

Ein Team mit diesen Eigenschaften ist kein Schutz gegen den Rückschlag in Entwicklungsprojekten. Den gibt es nicht. Aber es ist die Basis für den Umgang mit diesem. Es ersetzt nicht die Verpflichtung des Unternehmers, eine Kultur des Wandels zu etablieren, den Fehlschlag mantraartig als gesunden Bestandteil des Prozesses zu preisen und den Mitarbeitern das Vertrauen entgegenzubringen, aus diesen Fehlern selbständig zu lernen. Es macht nur diesen Prozess überhaupt erst möglich.

Und so kann es eben passieren, dass nach 12 Monaten Bauzeit der ersten Raffinerie, die unser Rohprodukt in Lebensmittelqualität aufreiniget, deren Output um 90% unter den Erwartungen liegt. Und dass man nach zahllosen Tests, geplatzten Neuronen und tausenden Euro später feststellt, dass der Grund dafür gar nicht in dieser, sondern in einer anderen Raffinerie in der tschechischen Niederlassung verortet ist. Dass man eine Jahresproduktion Rohstoff komplett nachbearbeiten muss und eben doch nicht zu Weihnachten mit den ersten Produkten auf den Markt kommen kann.

Aber genauso passiert es auch, dass eben dieses Team, während diese Zeilen geschrieben werden, per Kurznachricht mitteilt, dass der Output der neuen Raffinerie heute endlich vervielfacht werden konnte und morgen früh die Ergebnisse aus dem Labor vorliegen. Und vielleicht, aber nur vielleicht, kommen ja nun doch zu Weihnachten die ersten Aminosäure-Drinks und -Riegel aus gesundem Weidegras auf den Markt. Und zwar als erstes zu unseren mittlerweile vielen (Danke!) Facebook-Fans. Drückt uns die Daumen. Und falls du noch kein Fan bist, werde es hier.